Laufzeit: 26.10. - 23.11.
Baustelle Schaustelle Düsseldorf, Brehmstraße 41
Eröffnung am 26.10. um 18 Uhr!
Immer durch das Schaufenster einsehbar, Reservierungen online hier möglich.
“Unespied Nook”
Mit dem metaphorischen Titel „Unespied Nook“, also „Ungesehene Ecke“ ihrer gemeinsamen Ausstellung lenken die beiden Künstler Josephine Scheuer und Linan Zhu den Blick auf jene räumliche Zonen und Niemandsdinge, denen wir im Alltag keine weitere Beachtung schenken und die ihren Reiz gerade daraus beziehen, scheinbar keine nennenswerte Bedeutung zu haben. Sie liegen außerhalb unseres Blickfeldes, so dass sie gerade deshalb Beachtung verdienen.
Beide Künstler interpretieren die Metapher der ungesehenen Ecke auf ganz eigene Weise. Dabei sind ihre ästhetischen Ansätze so unterschiedlich wie ergänzend.
Zhu erweist sich als ein subtiler Meister der Umdeutung und Umgestaltung von Trash. Über Wochen hinweg sammelte er auf Straßen und anderswo Verpackungsmaterialien wie Polystyrolschaum, mit denen fragile Produkte des modernen Lebens wie Fernsehen, Waschmaschinen, Computer, Stereoanlagen geschützt werden und die, nach dem Auspacken kaum in den Müll gelandet, zum Zerstörer der Umwelt mutieren. Für ihn zeugt das nutzlos Gewordene von einer anderen Schönheit, der er sich nicht entziehen konnte. Zunächst wusste er nicht, was sich daraus gewinnen oder machen lässt, bis ihm der Einfall kam, die Negativformen von Verpackungsmaterialien wie Module zu formkomplexen Objekten zu kombinieren. Im Übergangsbereich zwischen Skulptur und Architekturvorlage oszillierend, sind sie weder ganz das Eine noch ganz das Andere, von daher voller Ambivalenz im Namen des offenen Kunstwerks.
Um während des Lockdowns, der die Welt zum Stillstand verdammte, in Bewegung zu bleiben, unternahm Josephine Scheuer täglich Spaziergänge mit analoger Kamera entlang einer Straße von deren Anfang bis zu deren Ende. Die Strecke markierte sie mithilfe von maximal 36 Aufnahmen, auf denen Bodenbeläge, ein Hundespielplatz, eine Grünfläche oder Schatten auf dem Asphalt zu sehen sind. Unterwegs geschah es, dass sie Orte wie beispielsweise einen Kinderspielplatz, von einer anderen Straße kommend, nochmals kreuzte. Sie erklärte diese Kreuzpunkte zu Anhaltspunkten, an denen sie die Bildbahnen vernetzte. Indem sie diese an diesen Berührungspunkten übereinanderlegt, imaginiert sie ein paralleles Raumnetz auf Backlightfolien. Durch deren Befestigung auf vier Fenstern wird deren Rolle sowohl als transparente Übergangszonen zwischen drinnen und draußen als auch als Schutzschirme hervorgehoben. Durch das Konzept des Gehens und die Entscheidung, die Strecken mit maximal 36 Bildern zu markieren, bekommen Dinge eine Erscheinung, die im Alltag meist ungesehen bleibt. Was wie die Skateparks oder die Kinderspielplätze in Pandemiezeitendurch Absperrung entfunktionalisiert ist, erhält dadurch etwas rein ästhetisch Skulpturales. Während Linan Zhu das nach Gebrauch nutzlos Gewordene in skulpturale Kunst verwandelt, erblickt Josephine Scheuer in den ungenutzten Orten deren plötzliche Verwandlung in eine skulpturale Anmutung.
- Heinz-Norbert Jocks, Düsseldorf, 07.10.2021