Natalia Stachon
Baustelle/Schaustelle, Essen
19. 10.2012 — 30.11.2012
„When the fact fails him, he questions his senses / when the fact fails me, I approve my senses.“
Es ist eine Gedichtzeile des britischen Lyrikers Robert Graves, die die Künstlerin Natalia Stachon in zwei Elemente
Ihrer Skulpturengruppe THINKING eingraviert hat. Man erkennt sie nicht auf den ersten Blick. Wie zum Schutz vor
möglichen Verletzungen verbergen sich die Texte in den tieferen Schichten der aus zwei Meter Fünfzig hohen
Plexiglasstelen zusammengesetzten Skulpturen. Die an die Wand gelehnten und am Boden versammelten Stelen
scheinen auf etwas zu warten. Doch was genau ist es? Die Gedichtzeilen deuten es an; Die Objekte aus Plexiglas
sowie deren Anordnung im Raum erzeugen eine irritierende Atmosphäre der Vorläufigkeit. Alles deutet darauf hin,
dass sich bereits im nächsten Moment alle Konstellationen verschieben könnten. Werden die einzelnen Objekte zu
einem größeren Zusammenhang verschmelzen? Oder wäre auch ein anderer Verlauf denkbar? Die Skulpturen könnten
ihren Halt verlieren und zerbrechen, jemand würde erscheinen, die Scherben aufsammeln und auf diese Weise die
letzten verbliebenen Elemente eines in Auflösung begriffenen Bauwerks entfernen. Ähnliches gilt für die drei
grossen Zeichnungen mit dem Titel NEITHER. Zu sehen sind Bauten in unvollendetem Zustand, die fast umgebungslos
im leeren Raum zu schweben scheinen. Aufgegebene Handlungsvorhaben, die wie Relikte einstmals grosser
Versprechen nach neuer Verankerung suchen.
Die Künstlerin hält sich mit ihren Arbeiten an den Zonen der Umdeutung auf. Es sind die riskanten Vorstufen des
Neubeginns, die Stachon in ihren raumgreifenden Installationen thematisiert. Jene Momente, in denen alles möglich
scheint und die Ideen von Wandel und Erfindung einen Grad an Vollkommenheit besitzen, der so nur im Vorraum
möglicher Realisierung existiert. Alles ist bereits vollendet und noch nicht einmal begonnen.
“Wenn Natalia Stachon einen Raum interpretiert, löst sich die Materie auf, sie wird brüchig und transparent, neue
Sinneseindrücke werden hervorgerufen und gewohnte Konzepte in Frage gestellt. Der Blick arbeitet auf andere
Weise, spielt mit seinen Grenzen und wechselt dabei ständig zwischen dem Hinzufügen neuer Bedeutungen und dem
Anhalten der Zeit.”*
Natalia Stachon studierte Freie Kunst bei Pia Stadtbäumer und Visuelle Kommunikation an der Hochschule für
bildende Künste in Hamburg sowie Fotografie an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich. Ihre Arbeiten
wurden u.a. ausgestellt in: Museum Haus Konstruktiv/ Zürich, Haus am Waldsee/ Berlin, Tate Modern/ London, XInitiative/New York, Galeria Leme/ São Paulo. Im Frühjahr 2013 erscheint ein umfangreiches Künstlerbuch von
Natalia Stachon im Snoeck Verlag in der Reihe “Daimler Art Collection — Artists books”. Darüber hinaus zeigt
Daimler Contemporary in Berlin von April bis September 2013 eine große Werkgruppe der Künstlerin in der
Ausstellung “Conceptual Tendencies II”. Stachon lebt und arbeitet in Berlin.
* (David Barro, on: dardonews.com, Oktober 2012)
Kontakt: Loock Galerie / Halle am Wasser / Invalidenstraße 50/51 / 10557 Berlin / www.loock-galerie.de/ info@loock.info
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