Laufzeit: 07.04. - 13.06.
BauSchau Essen, Brigittastraße 9
Durch das Schaufenster einsehbar, Termine nach Vereinbarung per E-Mail
Thoon – so betitelt der Bildhauer Heiko Räpple seine Einzelausstellung bei Baustelle Schaustelle. Der Name des Giganten aus der griechischen Mythologie ist in mehrfacher Hinsicht passend zu den in Essen gezeigten Arbeiten — und darüber hinaus auch für große Teile des gesamten Œuvres des Künstlers: Seine jüngsten Wandarbeiten sind wahre Giganten, denen man sich gegenübergestellt sieht.
Die Werke Räpples haben keine Farbe im klassischen Sinne, sondern rangieren materialbedingt eher in Tönen von Weiß bis Schwarz über die unterschiedlichsten Graustufen. Somit findet eine Sensibilisierung statt, die unseren zeitgenössischen, digitalen Sehgewohnheiten entgegensteht und eine souveräne Ruhe ausstrahlt.
Der Gigant Thoon ist einer der Protagonisten in den Mythen des Pergamonaltars. Die Friese dieses Altars gehören zu den wichtigsten Hochreliefs der Kunstgeschichte. Auch Heiko Räpple arbeitet – sehr ungewöhnlich für einen zeitgenössischen Bildhauer – gerne mit der Gattung des Wandreliefs. Er spielt hier mit der Wahrnehmung des Betrachters: Was von vorne beinahe wie ein Bild wirkt — also zweidimensional – entpuppt sich in seitlicher Ansicht als dreidimensionale Arbeit. Vielmehr noch: Auch die seitlich sichtbar werdende Armierungs-Konstruktion emanzipiert sich bei Räpple aus ihrer ansonsten dienenden Funktion und ist absolut gleichberechtigter Bestandteil der Wandarbeit.
Heiko Räpple ist bekannt für seine konsequente Beschäftigung mit der Frage „Was ist Bildhauerei?“. Er bleibt dieser Frage stets treu, auch wenn er gleichzeitig gerne an die Grenzen der Kunstgattung geht, indem er unter anderem auch mit immer anderen Materialien und Gussformen experimentiert. Ab und an führt Räpple den Betrachter auch in seiner ersten, oberflächlichen Wahrnehmung aufs Glatteis: Was ist weich, was ist hart? Was schwer, was leicht? Was ist innen und außen? Was Werk und was Konstruktion? Diese Liste ließe sich fortsetzen. Jedenfalls ist es häufig ganz anders, als es zunächst scheint.
Das hätte sich ein Leon Battista Alberti im Florenz des 15. Jahrhunderts beim Verfassen seines Standardwerkes über die Bildhauerei De Statua nicht träumen lassen, wie hier die Gattung ausgelotet und erweitert wird! Sicher wäre er begeistert davon, was 2021 so passiert.
Julia Ritterskamp 2021