01.06. bis 29.06.
Aufsichtszeiten: jeden Mittwoch 17-19 Uhr
Künstlergespräch am 01.07. mit Domingo Chaves um 15 Uhr
In ihrem Projekt Silos konzentriert Bianca Barandun sich auf die Versprachlichung unserer Erinnerungen. Mit der Ausstellung Silos untersucht sie, ob sich das Phänomen der Erinnerung gänzlich der Sprache entzieht und ob man beim Sprechen über Erinnerungen ohne Formen und Farben auskommen kann. Zur Bearbeitung dieser Frage hat die Künstlerin Interviews geführt und die Erinnerungen verschiedener Personen aufgenommen und protokolliert. Die Befragten haben Barandun ausschließlich die visuellen Bestandteile ihrer Erinnerung geschildert, also welche Formen und Farben sie sahen. Diese Informationen wiederum dienten als Grundlage, um selbst Formen zu generieren. So schuf die Künstlerin durch die Visualisierung und das Herunterbrechen dieser Erinnerungen einen visuellen Code, eine visuelle Repräsentation der Sprache in einer Region. Dabei interessiert sich Barandun für die Zwischenzustände, wenn sich ein Zustand in einen anderen verwandelt. Dazu entstanden zwei-und dreidimensionale Arbeiten, welche materielle Um- und Verwandlungen zeigen und gleichsam Formen von einem Medium zum anderen transportieren, stets in dem Bestreben die ursprüngliche Essenz der Erinnerung beizubehalten.
Fotos: Jana Buch
SILOS // BIANCA BARANDUN // BAUSTELLE SCHAUSTELLE ESSEN
Unser Gedächtnis ist wie ein Silo, ein grosser Speicher von sozialen Interaktionen, Erfahrungen und
Erinnerungen, der stetig durch erneute Kommunikation erweitert wird. Somit verfügen wir über ein
kommunikationsfreudiges Gedächtnis, welches im Austausch mit anderen und unbewusst mit sich
selbst steht. (Klee, 2021) Aufbauend auf diesem Konzept konzentriere ich mich in meinem Projekt
‘Silos’ auf die Versprachlichung unserer Erinnerungen. Dabei interessiere ich mich für die
Zwischenzustände, wenn sich ein Zustand in einen anderen verwandelt. Dazu entstanden zwei- und
dreidimensionale Arbeiten, welche materielle Um- und Verwandlungen zeigen und gleichsam Formen
von einem zum andern Medium transportieren, stets in dem Versuch die ursprüngliche Essenz der
Erinnerung beizubehalten.
Wenn wir sprechen, formen wir etwas Gedachtes in Sprache um. Um genau diese Umwandlung von
Gedanken zu Sprache zu verbildlichen, war es mein Ziel mit mehreren Materialien und Prozessen im
Wechsel zu arbeiten. Diese Herangehensweise ermöglicht mir nicht nur das Erweitern meines
Schaffens, das Einbeziehen von mir unbekannten Materialien, um neue Prozesse kennen zu lernen,
sondern ermöglicht mir auch das Ausloten zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Dabei
interessiert es mich, ob ich während dieser Prozesse der Transformation von Objekten und Bildern
neue Assoziationen und Bedeutungen erschaffe.
Die Sprache ist ein grundlegender Bestandteil unseres Alltags und das wichtigste Mittel zur
Verständigung, wobei sie Identität und kulturelle Zugehörigkeit schafft. Sie drückt Emotionen,
Gefühle und rationale Prozesse aus und bildet sogleich das Fundament unseres sozialen Systems
(Dürrmeier, 2009). Sprache ist ein sich stets weiterentwickelndes, komplexes System von Lauten und
symbolischen Zeichen zum Zweck der Kommunikation, wobei jedem Zeichen des Systems eine
Bedeutung zugeordnet wird. Dies geschieht jedoch völlig willkürlich. Im Prozess der Verständigung
wirkt die Sprache als Medium zwischen dem Sprecher und dem Zuhörer und muss immer im
Zusammenhang mit dem Verstehen betrachtet werden. Folglich ist das Verstehen ein Vorgang, der die
aufgenommene Sprache ordnet, dieser Vorgang führt jedoch auch dazu, dass Sprache meist
mehrdeutig ist. Die Sprache gleicht einem Code, in den sich die Gesprächspartner eincodieren, um von
dem jeweiligen Empfänger decodiert zu werden (Duden Learnattack, 2022).
Die englische Schriftstellerin George Eliot 1860 in ‘The Mill on the Floss’ wo sie schreibt: «Ist es
nicht beklagenswert, dass sich der Verstand nur selten in der Sprache äussern kann, ohne seine
Zuflucht zu Bildern zu nehmen, so dass wir kaum je sagen können, was etwas ist, ohne sagen zu
müssen, dass es etwas anderes ist?» Weiter stellt Aleida Assmann in ihrem Buch „Erinnerungsräume:
Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses“ fest, dass es oft nicht möglich ist, sich der
Erinnerung direkt zu nähern, und dass es eines vermittelnden Mediums wie dem Bild oder der Schrift
bedarf, um die Erinnerung lebendig zu halten und zu bewahren. Mit der Ausstellung ‘Silos’
untersuche ich, ob sich das Phänomen der Erinnerung gänzlich der Sprache entzieht und ob man beim
Sprechen über Erinnerungen ohne Formen und Farben auskommen kann. Zur Bearbeitung dieser
Frage habe ich Interviews geführt und die Erinnerungen verschiedener Personen aufgenommen und
protokolliert. Die Befragten haben mir ausschließlich die visuellen Bestandteile ihrer Erinnerung
geschildert, also welche Formen und Farben sie sahen. Diese Informationen wiederum dienten mir als
Grundlage, um selbst Formen zu generieren. So schuf ich durch die Visualisierung und das
Herunterbrechen dieser Erinnerungen einen visuellen Code, eine visuelle Repräsentation der Sprache
in einer Region.
Die Tonaufnahmen aufgenommen auf Hochdeutsch in Deutschland stehen den Aufnahmen gegenüber,
die ich in der Schweiz auf Schweizerdeutsch aufgenommen habe, sodass sich ein Vergleich zwischen
den regional verwendeten Codes anstellen lässt. Meine Annahme ist, dass Sprache nicht nur die
Identität, sondern auch die Erinnerung beeinflusst. Ähnliches könnte also auch für die Region gelten,
in der man lebt.
Meine Arbeiten befinden sich an der Schnittstelle von Druckgrafik, Zeichnung und Skulptur wobei ich
verschiedene Techniken, Materialien und Prozesse miteinander kombiniert. Mein Schaffen basiert oft
darauf mittels Druckprozessen an der Wand hängende Skulpturen herzustellen, wobei das Papier
durch Keramik ausgetauscht wird. Ferner basiert genanntes Verfahren auf der traditionellen
Druckgrafik, die entwickelt wurde, um Schriften oder Bilder zu vervielfältigen, um Informationen
weiterzutragen und zu kommunizieren. Meine Arbeiten bewegen sich von organischen zu
geometrischen Erscheinungen und erzeugen vielfältige Assoziationen, während sie mit
anthropomorphen Attributen spielen.
Mein Ziel ist es, eine vielschichtige und intuitive visuelle Sprache zu entwickeln, welche es vermag
komplexe und emotionale Themen mittels Formen, Farben und Linien zu transportieren. Diese
Sprache, welche sich geprägt durch Rhythmus und Fluss durch meine Arbeiten zieht, soll sowohl
unvollkommene als auch irreguläre und unerwartete Zustände als Bruchstücke eines wachsenden
Vokabulars miteinbeziehen.