Eröffnung: Freitag 10. Januar — 19:30 Uhr /// Brigittastraße 9, 45130 Essen
Dauer: 11.01 bis 31.01.2014 /// Öffnungszeit: Mittwochs 15:00 — 18:00 Uhr und nach Vereinbarung
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Fotos: www.eventfotograf.in
Sonderöffnungszeiten im Januar:
Sa. 11.01 12:00–16:00Uhr
So: 12.01 12:00–16:00Uhr
Di: 14.01 15:00–17:00Uhr
So: 19.01 12:00–16:00Uhr
So: 26.01 12:00–16:00Uhr
Eröffnung und Künstlergespräch: Freitag, der 10. 01. um 19:30 Uhr mit Florian Ebner, Leiter der fotografischen Sammlung des Museums Folkwang
Erbsenzählung
Eins, zwei, drei… Zählen ist eine der elementaren Handlungen, mit denen Menschen sich die Welt aneignen. Kinder zählen bis zu einem gewissen Alter mit geradezu nervtötender Begeisterung. Und auch Erwachsene wollen es oft ganz genau wissen. Zu kompromisslose Genauigkeit scheint aber nicht immer angebracht. Oder weshalb hat der Erbsenzähler einen derart schlechten Ruf? Wissenschaftliche Prinzipien des Ordnens, Sammelns und Archivierens sind dabei nur weitere Stufen zur Aneignung der Welt. Um diese Funktion von Wissenschaft zu hinterfragen, wird hier ein Experiment inszeniert, dessen Ziel es ist, mit sinnstiftenden Mitteln Unsinn zu stiften: Eine buchstäbliche Erbsenzählung.
Gezählt und fotografisch dokumentiert wurde der Inhalt einer handelsüblichen Tüte „Erbsen, 600 Gramm, tiefgefroren“. Die Ausstellung zeigt das Ergebnis dieser Zählung. In quadratischen Tableaus mit je 99 Exemplaren reihen sich exakt 1.939 Erbsen auf strengem Millimeterpapier. Sie gleichen sich, sind aber immer verschieden und nie dieselben. In dünnen Holzrahmen und Stoß an Stoß gehängt, entsteht eine geordnete Masse im Raum und entfaltet eine Ornamentik, deren Faszination man sich kaum entziehen kann.
Die Sehnsucht nach Ordnung und Übersicht scheint erfüllt. Die ganze Tüte Erbsen ist ausgebreitet, im Überblick. Alles ist angerichtet für den typologischen Vergleich. Ob sich die individuelle Form aus der Masse heraushebt oder im Muster von Gleichförmigkeit untergeht, ist eine Frage des Abstands und der Perspektive der Betrachtung.
Beim Vergleichen fällt noch etwas anderes auf: Die Erbsen sind während der Dokumentation nach und nach aufgetaut und haben das Millimeterpapier aufgeweicht. Der Betrachter sieht keinen Fehler in der Kühlung, sondern eine bewusste zeitliche Entwicklung. Das Auftauen visualisiert die Veränderung eines Gegenstands oder einer Situation durch den Akt der Beobachtung. Man meint zwar eine Inventarisierung der Erbsentüte zu sehen, tatsächlich sieht man aber den Prozess eines Experiments. Die Aufmerksamkeit des Betrachters wird auf die Handlung des Künstlers bzw. Wissenschaftlers gelenkt. So wird die vermeintliche Objektivität durchbrochen. Fragen nach der Subjektivität des Autors, nach seinem Konstruktionswillen stehen im Raum. Die Inszenierung des Experiments wird offensichtlich.
Das Unternehmen mutet absurd und komisch an. Bei so viel sinnfreiem Fleiß mag man an Sisyphus denken, doch im Gegensatz zu seiner Aufgabe hat diese hier ein Ende. Irgendwann ist die Tüte leer und alle Erbsen sind fotografisch registriert. Das eigentliche Ziel, die Annäherung an Ideale von Ordnung und Objektivität, wird aber nie erreicht.
Der Stein des Anspruchs rollt immer wieder zurück. Je genauer die Messung, desto größer die Unschärfe. Ordnung und Obsession geben sich die Hand.
Anna Kopylkow